Montag, 11. Mai 2015

Rennsteig 2015, wenn aus einem Drama ein Luststück wird-Emotionen wie sie es wohl nur hier geben kann

Sie wirbeln umher in meinem Hirn. Sind noch gar nicht alle verarbeitet. Jeder meint er sei der wichtigste, drängt nach vorn in das Bewusstein. Doch die Erinnerungen und Eindrücke der letzten Tage lassen sich nur schwer ordnen. 
Ein Versuch:
2.15 Uhr ist eine unchristliche Zeit um aufzustehen, ja nicht mal der Hahn kräht irgendwo. Aber wir machen das ja freiwillig. Und es hat ja auch was nachts um 3:10 Uhr an der Bushaltestelle irgendwo im Nirgendwo zu stehen um auf den Zubringerbus zu warten.
Unterwegs stieg noch Roland dazu, der hier seinen ersten Ultra laufen wollte und auch tat-so viel sei verraten. Die Fahrt  nach Eisenach dauerte insgesamt 1 3/4 Stunden die ich mit einer Mütze Schlaf zu nutzen versuchte. Das Wetter war klar und frisch-so soll es sein. Also damit schon mal keine Ausrede für Versagen :-)
Der Start erfolgte pünktlich um 6 Uhr und wir trabten los. Roland und ich im gemeinsamen Trott. Zuvor auf dem Marktplatz traf ich noch  Peggy und Frank (die beide ebenfalls gut durchkamen )
Eigentlich wollte ich mich noch mit Wolfgang treffen, doch das hat leider nicht geklappt. Die Strecke führt ja die ersten 25 km hoch zum Inselberg und den wollte ich in etwa 3 Stunden erreichen. Das klappte zwar-und sogar ein paar Minuten früher, aber der Weg dorthin war überhaupt nicht so wie geplant. Schon an den ersten Anstiegen machten sich die Oberschenkel bemerkbar. Wie bitte?? Jetzt schon? Kein Spur von Lockerheit, sondern Anspannung und Verhärtung. Noch hatte ich Hoffnung, dass sich das gibt, doch diese war eine Hoffnung die sich nicht erfüllte. Im Gegenteil, ich tat mich schwer und schwerer. Irgendwann bat ich Roland alleine weiter zu laufen, denn ich hätte ihn nur aufgehalten. Bergab lief es wieder einigermaßen, aber lange nicht so wie gewohnt. Alles musste ich mir erkämpfen, kein Flow kein Rollen. Plötzlich kam ein bekanntes Gesicht neben mich-Sabrina :-)
Dass sie heute hier mitlief, wusste ich gar nicht, hat mich aber sehr gefreut! Sie begleitet mich ein paar Kilometer-und auch an diversen Verpflegungsständen
So ein Würstchen in Ehren kann niemand verwehren
 Doch auch sie schickte ich weg. Keine Chance auch nur einigermaßen dran zu bleiben. Zum ersten Mal kam der Gedanke aufzugeben. Ich wusste es waren noch über 50km bis ins Ziel und sie würden nicht leicht werden, gewiss nicht. Ich trabte an doch sobald es auch nur ein bisschen hoch ging, musste ich gehen. Oberschenkel wie sonst bei km 65. Endlich kam ich auf den Inselberg und das noch in neuer persönlichen Bestzeit-keine Ahnung wie ich das schaffte. aber mir war es egal. Stimmung absolut auf dem Tiefpunkt. Wo ist hier der Ausgang? Aber wollte ich nicht einfach nur ins Ziel kommen? Alles nur Geschwätz?
UND VERDAMMT NOCHMAL- ICH WILL DAS VERMALLEDEITE FINISHERSHIRT !!!
Und nicht wie letztes Mal abends im Festzelt sitzen und neidisch den anderen zuschauen!
Also weiter, egal wie. Zwischenziele setzen-z:B. Oberhof bei km 55. Doch der Weg ist noch weit-noch 30km!
Sofort nach dem Inselberg ging es steil bergab, was mri natürlich auch keine Freude machte
Die nächsten Kilometer waren einfach...ach ich weiß nicht. Ständig Selbstzweifel, Ursachensuche, Traurigkeit,Wut und Zorn-und schmerzende Beine. Irgendwann bei km 43 glaube ich, kam ein besonders ekliger Anstieg, der für mich so steil war, dass ich ihn fast nicht hoch gehen konnte ! Ehrlich, ich war so fix und alle, ich hätte mich am liebsten hingesetzt und fertig. Wie ich da letztendlich hoch kam-keine Ahnung mehr. Das war einfach nur noch Befehlsweitergabe an die Beine mit der Drohung des sofortigen Erschießens bei Nichtbefolgen!
Dann passierte das, was, so glaube ich nur bei so einem Lauf passiert-plötzlich kam einer neben mich und sagte : "Komm wie machen das zusammen, ich habe auch Probleme. "
Benjamin, so hieß er, kommt aus Hamburg und auf den folgenden Kilometern erzählten wir und plabberten was das Zeug hält. Bergauf gingen wie, bergab liefen wir. Wir trafen zwei weitere Invaliden, der eine aus Südafrika, der andere war Amerikaner. Auch mit ihnen unterhielten wir uns eine Zeitlang (jaaa Pfälzisch meets english! )
Jedenfalls kamen und gingen die Kilometer. Wir feuerten das Publikum mit LAOLA Wellen an, klatschten zurück und hatten Spaß-trotz immer härtere werdenden Beinen. Mittlerweile musste ich bei jedem Schritt aufpassen keinen Krampf zu kriegen.
Km 55 und der einzige offizielle Ausstiegspunkt kam. Jetzt war die Chance-doch mal ehrlich? Hätte ihr 18km vor dem Ziel aufgegeben? Und wenn ich krabbeln würde, ich käme ins Ziel!!!!!
Nach 61km erreichten wir den höchsten Punkt der Strecke, bei dem ich mich auch verarzten ließ-allerdings nur ein Pflaster auf die rechte Ferse, da sich dort eine schöne große Blase gebildet hatte. Alles andere hätte sowieso keinen Sinn gehabt.
Nur noch etwa 13km !
Wer die Strecke kennt weiß-so komisch es sein mag und wie von 980 auf etwa 220 Meter hinunter liefen-es gab wieder ein paar richtig fiese Anstiege. Aber das wusste ich noch vom letzten Mal.
Irgendwann stolperte ich kurz und fiel fast einer Frau vor die Füße. Sie hieß Inka, hatte Probleme mit dem linke Knie und ab sofort wurde aus dem Duo ein Trio und dann kurze Zeit später ein Quartett als Guido noch dazu kam-Magen/Darm Probleme.
Was für eine verrückte Truppe! Ich glaube die anderen haben uns schief angesehen-aber wir hatten Spaß! Wir erzählten uns Erlebnisse aus unserem Leben, diskutierten über vegane Ernährung genau so wie über unser Ansehen bei Nichtläufern als Verrückte. Schnell waren wir wirklich nicht mehr, auch wenn uns Inka immer wieder antrieb. Oft musste ich abbrechen und wieder gehen, sollte auf keinen Fall noch Krämpfe bekommen. Dann lief es wieder-und dann gingen wir wieder. Die letzten Kilometer zogen sie elendlich! Auch hatten wir unabhängig voneinander einen Kilometer mehr auf der Uhr als die Kilometerschilder anzeigten und so war es also noch einen Kilometer mehr. Wir blieben zusammen, es war klar- wir laufen zusammen ins Ziel! Alle Zeiten waren egal, wir waren ein Team und basta!
Und so kam es auch, Auch wenn es die letzte Minute vor dem Ziel regnete-ich strahlte! Nebeneinander liefen wir die letzten Meter im Zielkanal Richtung erlösendes Ziel-eine Gemeinschaft aus einem Hamburger, einer Hessin, einem Franke und einem Pfälzer die sich vorher noch nie gesehen hatten, haben ein Team gebildet, haben zusammen gelitten, gelacht und ins Ziel gelaufen!


 Wir hatten das Ding gerockt! Ich hätte wirklich nicht mehr daran geglaubt anzukommen.

 Im Kopf ein Wirrwar an Gefühlen stand ich da im Regen, konnte es immer noch nicht recht glauben. Ich sah meine Frau die auf mich gewartet hatte, genau so wie mein Freund Hans und seine Frau Gabi. Gerne wäe ich dies Tour mit dir Hans gelaufen, aber es sollte dieses Jahr nicht sein. Aber wir sind ja noch jung :-)
Ich möchte mich ausdrücklich bei Euch dreien -Inka, Benjamin und Guido bedanken, dass ihr mich ins Ziel geschleift habt! Ohne euch hätte ich diese Erfahrung nicht machen können. Erstens wie der Geist den Körper zumindest in Grenzen, besiegen kann und zweitens- dass Ultraläufer einfach dufte Typen sind! Ich glaube in keinem anderen Sport ist das Gemeinschaftsgefühl und Kameradschaft so groß.
Nachdem mich auch Pia und meine Freunde beglücktwünscht hatten. ging der erste Gang gleich zur T-Shirt Ausgabe und endlich, endlich hatte ich es in der Hand, der Lohn der Mühe!
Danach musste der Hunger gestillt werden, hatte ich doch unterwegs außer einer Wiener, einem Rohesser, einem Schmalzbrot und Literweise Cola, Tee (und einem Cola-Bier :-) ) nichts zu mir genommen. Also zuerst eine Bratwurst und dann---ein Softeis!

Was dann abends folgte ist einfach genauso unbeschreiblich. Wer es nicht erlebt hat, kann es wohl kaum nachfühlen. Man kann kaum gehen, schleicht herum und dann geht da im Festzelt der Punk ab, das ist Wahnsinn! Ich bin gewiss kein Freunde der Volksmusik etc. aber da muss man mitmachen, denn alle, alle machen mit-und wie!

So viele Emotionen werden da wohl frei, jeder ist mehr oder weniger glücklich und dann wird gefeiert, gefeiert, gefeiert. Und das gehört genauso zum Rennsteiglauf wie das Laufen an sich!

Vier mal war ich nun dabei, drei mal auf der Ultrastrecke, einmal beim Martahon und es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass noch einmal ein fünfter Start dazu kommt-ich habe da noch eine Rechnung offen!
Woran es nun lag, dass ich solche Problemen bekam-ich weiß es nicht genau. Vielleicht lag es daran dass 2 Wochen außer Gefecht gesetzt war wegen dem blöden Husten, oder es lag an dem Wettkampf letzten Sonntag beim Wings for Live World Run bei dem es aber gut gelaufen ist. Vielleicht war es einfach ein schlechter Tag-egal. ich kann es nicht ändern und das gehört wohl dazu. Ich habe mein Shirt, dass ich voller Stolz tragen werde, habe nicht aufgegeben und tolle Erfahrungen gemacht was unseren Sport angeht.
Wem das nun zu pathetisch ist-ist mir egal, ist ja mein Blog und meine Gedanken :-)
Und wen es interessiert-ich habe 9:34 gebraucht und damit 1,5 Stunden länger als beim letzten Mal-aber dafür hatte ich auch 1,5 Stunden mehr Spaß :-)

8 Kommentare:

Blumenmond hat gesagt…

Wow Martin, da hab ich glatt ein Tränchen im Auge. Wahnsinnig gekämpft aber eine Erfahrung, die Dir keiner mehr nehmen kann. Glückwunsch fürs Durchhalten. Glückwunsch zum Shirt und so...und nach der Diskussion zur veganen Ernährung frag ich bei Schmalzstullen nicht. :-)

Lauf Markus hat gesagt…

Laufen als Gemeinschaftserlebnis mit psychologischen Aspekten. Auch mal eine Idee! Vor allem wenn es so gut klappt wie bei euch 4!
Glückwunsch zum Finish!

Jörg hat gesagt…

Gratulation zum Durchhalten.
Wenn es einfach wäre, hieß es Fußball.
Irgendwie hatte viele Probleme in diesem Jahr auf der langen Strecke - woran es auch immer lag.
Und - ich beneide dich um das weiße Shirt!!!

lizzy hat gesagt…

Da muss man keine Nichtläuferin sein, um euch zu "total Verrückten" zu erklären. Läufer sehen aber, dass es die direkte und perfekte Therapie dagegen im selben Zug ist, was du da treibst ;) Für ein Weilchen als geheilt - und noch dazu mit Medaille und WEIßEM! Shirt - entlassen. Beim nächsten Rückfallschub gibt's eben die nächste Therapie. Der Leser darf sich drauf freuen.

Herzlichen Glückwunsch zum Durchbeißen! und gute Erholung.

Martin hat gesagt…

Anja:
Das war keine Diskussion im eigentlichen Sinne, denn wir alle sind uns ja wohl klar, dass vegan oder vegetarisch aus ethischer Sicht die besste Lösung ist. Nur eben für mich ist es schwer
Lauf Markus:
Danke sehr! Ja es war wirklich ein gemeinsames Erlebnis, dass ich jedem nur wünschen kann-halt ohne die Schmerzen :-)
Jörg:
Habe ich auch gehört, dass viele Probleme hatten-obwohl das Wetter fast perfekt war. Und du hölst dir eben nöächstes jahr wieder dein Shirt!
Lizzy:
Danke! Ich glaube ich werde nächstes Jahr auch woeder dabei sein-wenn ich gesund bin. Ansonsten hat das keinen Wert.

Peter Gnüchtel hat gesagt…

Was soll man dazu sagen?
Nichts.
Einfach gut durchgeschlagen.
Manchmal ist es eben so, da läufts nicht.
Auf den 5.
Alles Gute
Peter

Peter Gnüchtel hat gesagt…

Was soll man dazu sagen?
Nichts.
Einfach gut durchgeschlagen.
Manchmal ist es eben so, da läufts nicht.
Auf den 5.
Alles Gute
Peter

Martin hat gesagt…

Genau Peter-auf den fünften udn das er der beste wird !