Mittwoch, 11. November 2009

Schattenseelen


Laufen hilft gegen vieles. Natürlich gegen zu viel Pfunde, klar, aber auch gegen allerlei Wehwechen. Man könnte es , gerade in unseren "Läuferkreisen", geradezu als Mittel gegen alles bezeichnen. Nur zu gern vergessen wie aber, dass es Dinge gibt gegen die es nicht, oder nur wenig, hilft. Ich meine hier nicht Krebs( obwohl eine gewisse vorbeugende Wirkung gegen einige Arten könnte es geben) oder Aids, ich rede von einer Krankheit die gerade heute mal wieder in unser aller Mittelpunkt gezerrt wurde : Depression.
Wie schlimm das sein kann, kann ich, obwohl nicht betroffen, der also erstens nicht selbst depressiv ist noch mit einem depressiven Partner zusammen lebt ,ein bisschen nachfühlen.
Ich selbst kenne einen Fall persönlich (manisch/depressiv) und in einen Fall die Auswirkungen auf den Lebenspartner, da er mir dies mal vor längerer Zeit geschrieben hat. Es ist einfach gesagt, die Hölle. Jeder von uns hat mal schlechte Laune, ist gereizt, aber das ist glaube ich nicht zu vergleichen mit der Situation in der sich diese Leute befinden. Und es geht eben nicht nur um die Betroffenen selbst sondern auch um ihr Angehörigen die das mit erleben müssen, es erdulden müssen ohne selbst eingreifen zu können. Und nach Meinungen vieler Ärzte ist diese Krankheit mittlerweile ein echte Volkskrankheit und jedes Jahr erhöht sich die Zahl der Erkrankten.
Und hier bin ich nun wieder bei unserem Leben, unserem Laufen. Denn dies hat einen, so sagen jedenfalls einige Untersuchungen, einen positiven Einfluss auf unser Befinden. Wir haben es wohl alle schon selbst erfahren, ohne Studien anfertigen zu müssen. Gut, nach einem Bergrennen fühle ich mich überhaupt nicht gut wenn ich oben bin, aber das Laufen an sich ist nicht nur ein Ventil für unseren Frust den wir ab und zu erleben müssen, sondern auch, so fühle ich es jedenfalls, ein Art Kraftrecycling für die Seele und den Körper. Man bekommt etwas vom Laufen geschenkt, dass wir eigentlich schon gar nicht mehr so beachten: Lebensenergie und Lebensfreude. Und dabei ist es nun egal ob 1 oder 100km gelaufen werden.
Vielleicht hilft Laufen also doch, sei es auch nur ein bisschen, das Leben zu verschönern und lebenswerter zu machen. Für mich kann ich das klar bejahen.
Dass es auch andere Leben geben kann sehe ich bei jedem Trainingslauf den ich hier bei uns im Blümelstal mache. Seit über einem Jahr klaufe ich dann an einem Kreuz vorbei dass am Wegesrand steht. Es befindet sich genau unter der wirklich hohen Brücke die das Tal überspannt. Drumherum immer das Gras geschnitten, immer frische Blumen in einer Vase und auf dem Kreuz das Bild einer jungen Frau. Wie ich mittleweile erfuhr, hatte sie schon eine kurz vorher einen Suizidversuch mit Tabletten gemacht, wurde aber von ihrer Familie rechtzeitig gefunden. Eine Woche später fuhr sie extra 40 km weit um sich von dieser Brücke hinunter zu stürzen. Sie hinterlies zwei Kinder und einen Mann. Wie verzweifelt muss sie gewesen sein.
Sollte ich mal schlechte Laune haben (sehr selten), sehe ich spätestens dort wie gut es mir eigentlich geht, wieviel Glück ich habe.
Mir gefällt mein Leben.

Ps: das Bild enstand heute Nachmittag in unserem Ort.

9 Kommentare:

Pienznaeschen hat gesagt…

Laufen hilft - eindeutig ja!
Das es gegen alles hilft glaube ich nicht wirklich bzw. möchte ich zumindest nicht behaupten und gerade bei schweren Depressionen ist es sicher nicht das einzige Mittel. Aber, ich bin davon überzeugt das Laufen auch bei Depressionen sehr hilfreich sein kann (nur ist dann in der entsprechenden Phase das Loslaufen vielleicht nicht oder nur schwer möglich) vielleicht sogar gerade dann.
Sehr traurig das sich Menschen so schlecht fühlen und dem Tod so nahe stehen ... es betrifft mich sehr und diese Dankbarkeit, dieses Bewusstsein was Du ansprichst - das tut unheimlich gut, gell.

Impi hat gesagt…

........das ist heftig.
Laufen ist für mich tatsächlich eine Allgemeinmedizin geworden.
urch meinen Job bin ich auch sehr oft überladen,.....meine Frau drängelte mit dem damals für mich blöden Satz;...lauf dir den Kopf frei!
Jetzt weiss ich dass es funktioniert.
Wer nicht läuft ahnt nicht was er versäumt.
Impi

Gerd hat gesagt…

Laufen hilft definitiv gegen Depressionen. Ob es hilft manisch depressive Menschen zu heilen bezweifele ich. Da geht die Krankheit doch ein bisschen tiefer.
Ich selbst habe meinen besten Kumpel vor 20 Jahren durch Suicid verloren.
Begreifen kann ich dies bis heute nicht!

Christian hat gesagt…

Ob im beruflichen oder im privaten Umfeld, fast jeder wird einen depressiven Menschen kennen und fast jeder kennt jemanden der sich suizidiert hat, so ist es leider. Suizidale Menschen bei bestehender Depression können nur sehr schwer von dem meist langfristig geplanten Vorhaben abgebracht werden, oft hilft eine akute Intervention, aber ich habe sehr viele Menschen kennen lernen dürfen, von denen klar war, dass sie es irgendwann tun werden. Depressionen - und damit meine ich nicht die novemberlichen Stimmungstiefs - sind nur schwer "heilbar", aber der Suizid gehört glücklicherweise nicht zwingend dazu.
Laufen hilft wirklich, wir hatten eine Laufgruppe für Depressive und wer sich aufraffen konnte daran teilzunehmen, war fast schon aus der Depression raus und zeigte rasche Besserungstendenzen. Deshalb, nicht stehenbleiben, weiter laufen....

Salut

Christian

Evchen hat gesagt…

Da habe ich eine ganz spezielle (nicht med. begründete) Meinung zu. Mein Lebensmotto ist: Stillstand ist Rückschritt.
Damit meine ich heute auch das Laufen, aber im Wesentlichen die geistige Haltung. Wer keine Ziele hat, nichts für wichtig genug erachtet, sich dafür einzusetzen, dafür zu brennen, der lebt nicht.
Luceo, non uro.

Manchen scheint es in die Wiege gelegt zu sein, ein Leben lang geistig gesund zu bleiben, andere müssen dafür kämpfen, manche schaffen es nicht.

Martin hat gesagt…

@Pienznäschen:
Ich glaube auch, dass das "Loslaufen" auch im nicht wörtlichen Sinn das schwerste daran ist. der berühmte erste Schritt eben.
@Impi:
Kann ich dir absolut zustimmen!
@Gerd:
Es ist wirklich eine vollkommene Fssungslosigkeit die einem dann befällt. Und vor allem- du wirst es nie richtig hinter fragen können, denn der einzige der es weiß, kann keien Antworten mehr geben.
@Docrunner:
So gesehen sind wir und damit meine ich uns Läufer, gerade zu verplichtet weiterhin für unsere Sache zu werben.Finde ich toll, dass es dieser Laufgruppe so gut getan hat. Wie geht es ihnen heute?
@Evchen:
Luceo, non uro
Da musste ich erst einmal nachschauen was es bedeuetet :-)
Aber finde ich wirklich wunderbar und werde es mir unbedingt merken. Danke dafür!
Stillstand ist Rückschritt ist wirklich d i e Devise heute. Ich glaube es liegt einfach in der Natur des Menschen, dass er sich immer neu Ziele sucht, neues erreichen will. In dem Moment wo das aufhört, geht ein wichtiger Aspekt des Lebens verloren. Damit meine ich aber nicht immer mehr Geld zu verdienen oder materielle Dinge zu vermehren sondern das geistige Streben nach vorne. ich kenne wirklich einige die sind mit 30 schon 70.

Christian hat gesagt…

Finde ich toll, dass es dieser Laufgruppe so gut getan hat. Wie geht es ihnen heute?


Keine Ahnung, arbeite schon seit vielen Jahren woanders und habe keinen Kontakt zu ehemaligen Kollegen in der Psychiatrie, aber soweit ich weiss gibt es die LG noch

Salut

Hannes hat gesagt…

Ob es direkt nur das Laufen ist ... ich vermute, viele Sportarten können in einem solchen Fall helfen. Ich denke, auch beim Schwimmen oder Radfahren könnte man gut abschalten - andere vielleicht bei anderen Sportarten. Wie wir nun erfahren haben, hilft aber auch das nicht immer. - Oder ist das Laufen in diesem Fall wirklich "besonders"?

Ich weiß es nicht, aber das Ganze stimmt einen doch sehr nachdenklich ...

Blumenmond hat gesagt…

Warum kämpfen wir Läufer dann oft trotz aller Widrigkeiten, laufen zu können? Weil es uns einfach in vielerlei Hinsicht viel gibt. Gerade jetzt nach meiner langen Pause und dem ganz langsamen Einstieg wieder kann ich sagen, wie unterschiedlich sich das Leben anfühlt, wenn ich laufe oder nicht. Es geht auch ohne und es geht mir nicht zwangsläufig schlecht - aber mit geht es definitiv besser.

Neben "normalen" Alltagsdepressionen, musste ich mal einen heftigen Fall einer manischen Depression miterleben. Ich weiß, dass es unterschiedliche Verläufe gibt - die war sehr, sehr heftig und hat mich im Leben doch arg geprägt. Und es kann einfach jeden treffen, auch wenn man sich noch so gefeit fühlt.